Ein Pflichtteil ist die gesetzlich und verfassungsmäßig gewährleistete Mindestbeteiligung am Nachlass. Er besteht nur, wenn bestimmte, dem Erblasser sehr nahestehende Personen durch ein Testament des Erblassers enterbt wurden.
Einen Anspruch auf einen Pflichtteil können nur die Kinder oder bei deren Vorversterben deren Kinder, der Ehegatte und unter Umständen die Eltern haben.
Geschwister haben nie Anspruch auf einen Pflichtteil.
Der Pflichtteil wird nach Quoten berechnet. Er ist die Hälfte des gesetzlichen Erbrechts. Zum Zeitpunkt des Erbfalls steht also in der Regel die Quote schon fest. Der Auszahlungsbetrag muss erst ermittelt werden.
Wenn beispielsweise bei einem Berliner Testament mit gegenseitiger Alleinerbeinsetzung die zwei Kinder auf den ersten Todesfall enterbt sind, steht ihnen ein Pflichtteil zu. In gesetzlicher Erbfolge hätte der längerlebende Ehegatte ein Halb (zweimal ¼) und die Kinder jeweils ¼ geerbt. Der Pflichtteil für die Kinder beträgt dann jeweils der Quote nach 1/8 des Nachlasses zum Stichtag Todestag.
Der Pflichtteil ist ein Anspruch auf eine Geldzahlung. Der Pflichtteilberechtigte wird nicht Miteigentümer und steht außerhalb der Erbengemeinschaft.
Der Pflichtteil muss gegen den oder die Erben geltend gemacht werden. Wird er nicht binnen 3 Jahren zum Ende des Jahres seit Kenntnis des Todesfalls und der Enterbung geltend gemacht, verjährt der Anspruch.
Der Erbe muss ihn dann nicht mehr erfüllen. Er kann es aber freiwillig tun. Dies bietet sich in manchen Fällen zur Erbschaftsteuerreduzierung an. Über einen Pflichtteil können Geldbeträge über den Erbschaftssteuerfreibetrag nach dem Erblasser übertragen werden. In solchen Fällen kann es Sinn machen, wenn der Erbe auf die Einrede der Verjährung verzichtet.
Da der Pflichtteilsberechtigte häufig kaum oder keine Kenntnis vom Nachlass hat, hat der Gesetzgeber ihm mehrere vorbereitende Ansprüche zur Seite gestellt. Zunächst wird der Pflichtteilsberechtigte von dem/den Erben Auskunft verlangen, die durch Erstellung und Vorlage eines Nachlassverzeichnisses erteilt wird. Hierbei ist nicht nur der Bestand des Nachlasses zum Todestag mitzuteilen, sondern auch alle unentgeltlichen Zuwendungen, die der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod gemacht hat.
Die Auskunft über unentgeltliche Zuwendungen in den letzten zehn Jahren vor dem Tod ist wichtig für die Pflichtteilsergänzungsansprüche. Hier wird dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet, was von dem Erblasser in den letzten zehn Jahren verschenkt wurde. Ausschlaggebend ist der Wert bei Schenkung. Gemischte Schenkungen werden mit dem unentgeltlichen Teil angesetzt. Dabei wird die Zuwendung für jedes verstrichene Jahr mit 10% weniger angesetzt. Dies gilt in der Regel nicht für Zuwendungen unter Ehegatten, da die Frist für die Abstufung dieser Zuwendungen erst mit Auflösung der Ehe zu laufen beginnt. Wird die Ehe erst durch den Tod eines der Ehegatten aufgelöst, hat die Frist noch gar nicht zu laufen begonnen.
Ist das Nachlassverzeichnis erteilt und gibt es Zweifel an der Sorgfalt der Erstellung zum Beispiel bei Hinweisen, dass Gegenstände weggelassen wurden, kann der Pflichtteilsberechtigte von dem Erben die Abgabe der Versicherung an Eides statt verlangen. Dieser muss dann in einem Verfahren vor dem Amtsgericht – Nachlassgericht – an Eides statt versichern, dass er den Bestand des Nachlasses so richtig und umfassend angegeben hat, wie er nur konnte.
Grundsätzlich kann der Pflichtteilsberechtigte auch die Auskunfterteilung durch ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen. Dann ermittelt der Notar selbständig den Nachlassbestand. In aller Regel beginnt die Ermittlung des Notars mit einer Befragung des Erben. Dem notariellen Nachlassverzeichnis wird ein höherer Beweiswert zugesprochen als dem Privatschriftlichen. Unglücklicherweise ist es schwer, einen Notar zu finden, der Zeit hat, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Die umfangreichen Ermittlungen in Relation mit der hierfür festgesetzten Vergütung machen die Erstellung eines Nachlassverzeichnis zu einer für Notare unattraktiven Arbeit.
Nach erteilter Auskunft und gegebenenfalls eidesstattlicher Versicherung, wird der Pflichtteilsberechtigte in aller Regel seinen Anspruch auf Wertermittlung geltend machen. Die Nachlassgegenstände müssen im Verzeichnis mit allen Wert bildenden Faktoren angegeben werden. Der Wert selbst ist durch den Erben zu schätzen. Wenn der Pflichtteilsberechtigte den Wert nicht akzeptiert, kann er ein Sachverständigengutachten verlangen. Die Kosten hierfür fallen ebenso wie die Kosten eines notariellen Nachlassverzeichnisses dem Nachlass zur Last und reduzieren somit auch den Pflichtteil.
Wenn die Auskunft und Wertermittlung erteilt sind, wird aufgrund der bereits ermittelten Quote der Wert des Pflichtteils und damit der Auszahlungsbetrag errechnet. Der Pflichtteil ist die Hälfte des gesetzlichen Erbrechts. Wenn ein enterbtes Kind also in gesetzlicher Erbfolge ¼ geerbt hätte, erhält es als Pflichtteil die Hälfte hiervon, somit 1/8. Bei einem Nachlasswert von 100.000 € wäre also der gesetzliche Erbteil ¼, somit 25.000 € und der Pflichtteil hiervon die Hälfte, also 12.500 €.Den so errechneten Betrag hat der Erbe an den Pflichtteilsberechtigten zu zahlen. Hinzu kommen mögliche Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen Schenkungen zu Lebzeiten. Diese sind gesondert über Bildung eines fiktiven Nachlasses zu berechnen.
Hat der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen wie Immobilienübertragungen „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ vorgenommen oder in der Übertragung mitgeteilt, dass diese Schenkung auf einen Pflichtteil oder einen gesetzlichen Erbteil angerechnet werden sollen, muss sich je nach Regelung und Auslegung der Vereinbarung der Pflichtteilsberechtigte den Wert der Schenkung zum Zeitpunkt der Schenkung auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen. Die Wortwahl und was der Übertragende zu Lebzeiten gewollt hat, sind wichtige Aspekte bei der Auslegung. Entscheidend ist aber auch, was der Beschenkte annehmen durfte. Wenn er die Schenkung damals frei ohne Anrechnungsklausel erhalten hat, muss er sie sich nicht anrechnen lassen. Spätere Vereinbarungen ändern hieran nur etwas, wenn sie notariell beurkundet werden.
Besondere Leistungen wie zum Beispiel die Pflege des Erblassers, die ein Kind erbracht hat, können pflichtteilsrelevant werden. Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass solche Leistungen unter Geschwistern in gesetzlicher Erbfolge und in Bezug auf einen Pflichtteil ausgeglichen werden sollen. Hierzu gehören alle Tätigkeiten, die dem Erblasser abgenommen werden wie z.B. Besorgung von Haushalt und Garten, Einkaufen, Begleitung zu Arztbesuchen, Koordinierung mit Pflegedienst, Regelung von allen Geschäften mit Banken, Versicherungen, Versorgungsbetrieben, Rentenstelle etc. Diese Leistungen werden im Ermessen des Gerichts beziffert und fiktiv in den Nachlass eingestellt.
Ein Pflichtteil wird zunächst außergerichtlich gegen den/die Erben geltend gemacht. Erst, wenn sich der Erbe weigert, es hartnäckigen Streit oder keinerlei ordnungsgemäße Reaktion nach ausdrücklicher Aufforderung gibt, wird es geboten sein, eine Klage einzureichen. In aller Regel handelt es sich hier um eine Stufenklage auf Auskunft, Versicherung an Eides statt, Wertermittlung und schließlich Zahlung.
Pflichtteilsprozesse sind meistens langwierig und unangenehm für die Beteiligten. Eine außergerichtliche Regelung oder Einigung kann bei transparenter und respektvoller Bearbeitung der berechtigten Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten gut erreicht werden.
Die Anwaltskosten für die außergerichtliche Regulierung und ein Gerichtsverfahren bestimmen sich jeweils nach dem Wert des Pflichtteils nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Die Gerichtskosten werden ebenfalls nach diesem Wert erhoben. Bei einer Stufenklage wird für die Nebenansprüche wie die Auskunft ein Bruchteil des Wertes von dem Zahlungsanspruch zugrunde gelegt.